3 Dinge, die Sie über konstruktiven Journalismus wissen sollten und warum sich das Prinzip für das Storytelling im Corporate Publishing so gut eignet.
Tja, werden Sie sagen, so brandneu ist das Thema ja nun nicht. Recht haben Sie. Tatsächlich wird über diese Strömung in der journalistischen Berichterstattung in der Medienbranche schon eine kleine Weile diskutiert. Durchaus auch kontrovers. Mir als Fachjournalistin und Trainerin für journalistisches Schreiben fällt auf: Auch wenn der Ansatz des konstruktiv-kritischen Journalismus die Berichterstattung nicht total neu erfindet, passt er sehr gut in unsere Zeit.
# Empowerment für den Leser
Sagen, was ist – und zeigen, wie es weitergeht. Auf diese Formel lässt sich das Anliegen des konstruktiven Journalismus verknappen. Es gibt viele Definitionsversuche. Einig sind sie sich vor allem darin: Der Ansatz bricht mit dem klassischen Lehrsatz „Only bad new are good news“. Er geht einen Schritt weiter – über die Beschreibung von Missständen, Krisen und Fehlentwicklungen hinaus. Eine konstruktive Berichterstattung will dem Leser helfen, die Welt besser zu verstehen. Deshalb zielt sie darauf ab, über die Nachricht hinaus Kontexte zu erschließen und Perspektiven zu beleuchten. Immer mit dem Anliegen, dem Leser Orientierung zu verschaffen und eine Handreichung zu bieten.
„Während News-Journalismus über das Heute berichtet und investigativer Journalismus über das Gestern, geht es beim konstruktiven Journalismus um das Morgen“, erklärt Ulrik Haagerup das Prinzip. Der frühere Nachrichtenchef des dänischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks lehrt heute Journalistik an der Universität Aarhus und gehört zu den Vordenkern in der Branche, die eine konstruktives Selbstverständnis im Journalismus propagieren. Berichterstattung müsse umfassend sein, damit der Journalismus seiner Verantwortung als vierte Gewalt gerecht werde. Es gilt, eine Fragstellung, ein Problem ganzheitlich zu betrachten: Welche Lösungsansätze haben Wissenschaft, Forschung und Entwicklung oder Politik? Welche Herausforderungen bergen sie? Gibt es woanders andere Herangehensweisen? Wie sind die einzuordnen?
„Constructive Journalism aims to provide audiences with a fair, accurate and contextualised picture of the world, without overemphasising the negative and the sensational.“ Constructive Institute
# Den Diskurs weitertreiben
Der konstruktive Journalismus denkt Leser-orientiert und fügt den klassischen journalistischen W-Fragen – Wer? Was? Wann? Wo und wie? – eine weitere Dimension hinzu: Was jetzt? Wie kann es weitergehen? Diese Frage wirft eine neue Perspektive auf. Es geht nicht um die Analyse eines Problems allein, sondern um mögliche Lösungen. Was hilft und warum? Dabei geht es weder um einen einseitigen Wohlfühljournalismus, der auf positive Nachrichten anstatt von negativen Meldungen fokussiert, noch darum, sich zum Anwalt einer Sache zu machen. Nach wie vor bleibt das abschließende Urteil dem Leser überlassen.
# Fachwissen liefern!
Wer nach dem “Wie weiter?” fragt und sich in die Recherche stürzt, muss Ursachenforschung betreiben und zugleich die Brennweite nach vorn richten. Dafür braucht es nicht nur das klassische Rollenverständnis als Kritiker und Mahner, sondern auch solides journalistisches Handwerkszeug: Kritische Faktenprüfung, einordnende Informationen und ein klares Unterscheidungsvermögen, was echte und was vielleicht nur Scheinlösungen sind. Manchmal ist tiefes Schürfen notwendig, um das eine vom anderen unterscheiden zu können. Meist setzt das fundiertes Wissen voraus. Das ist ein Vorteil – nicht nur für Fach- und Wissenschaftsjournalisten, die sich in ihren Themen tiefer drinstecken als tagesaktuell berichtende Journalisten und sich in ihren Themenfeldern gut auskennen. Auch solche Medien, die von Wissenschaftsinstitutionen, Stiftungen, Verbänden, Initiativen, sozial engagierten Unternehmen herausgegeben werden und die sich journalistischen Regeln verschreiben, können mit einem konstruktiv-kritischen Berichterstattungsansatz über ihre Forschungserkenntnisse, Innovationen oder Geschäftsmodelle enorm viel zu der Debatte einer gesellschaftlichen Fragestellung – sei es neue Mobilität, Gentechnik oder Artenschutz – beitragen. Auf die Form kommt es an.